Hier finden Sie eine Auswahl von Programmen und Kritiken vergangener Konzerte:

Wartburg Konzert, 24. Oktober 1992

Poetische Tiefe. Neue Zeit, 26. August 1992

Schumannhaus Zwickau, 27. März 1993

Beethoven und Chopin in mustergültigen Interpretationen, Salzgitter Zeitung, 29. November 1993

Instrumentaler Spitzentanz der Finger, Sächsische Zeitung, 28. April 1994

Festival der Europäischen Musik Berlin, 9. Juli 1997



223. Wartburg Konzert, 24. Oktober 1992

Peter Tschaikowsky

"November: Troika-Fahrt" aus dem Zyklus "Die Jahrenzeiten" op.37a

Frederic Chopin

Prelude Des-Dur op.28 Nr.15

Etüde c-Moll op.10 Nr.12

Johann Sebastian Bach / Ferruccio Busoni

Chaconne aus der Partita II d-Moll BWV 1004



Neue Zeit, 26. August 1992

Poetische Tiefe

Begegnung mit der Pianistin Natalja Gussewa

Es sind nicht nur die großen Konzertsäle, in denen sich große Kunst ereignet, auch in kleinen Stätten am Rande der Metropolen kann sich Großartiges begeben, beispielsweise im Kulturhaus Eggersdorf bei Strausberg. Dort beeindruckte bei einem außerordentlich schönen Klavierabend die Moskauer Klaviervirtuosin Natalia Gussewa mit Werken von Bach, Chopin, Tschaikowsky und Rachmaninow so sehr, daß man ihr auch bald einmal in einem Sinfoniekonzert in Berlin begegnen möchte - dieser international erfolgreichen Schülerin von Emil Gilels am Moskauer Konservatorium, die sich Preise in Paris, Warschau und Barcelona erspielte, Solistin der Moskauer Philharmonie wurde und obendrein promovierte Kunstwissenschaftlerin ist.

Denn wie Natalia Gussewa nach dem äußerst empfindsamen, pianistisch blitzsauber gespielten Chopin vor allem zum Schluß den Rachmaninow musizierte, ließ keinen Zweifel daran, daß auch eins der Rachmaninowschen Klavierkonzerte unter den virtuosen Händen der Moskauer Künstlerin zu einem glänzenden instrumentalen Spitzentanz avancieren müßte. Sie bringt dafür einen sehr sensiblen, durchgeistigten Anschlag mit, ein persönlich gefärbtes, lyrisches Klangempfinden, eine intelligent gesteuerte, ausgezeichnete Technik, wie sie nun einmal die hochbefähigten russischen Pianisten einzusetzen haben. Wobei allein die linke Hand durch die exponierte Spielhaltung und Präzision verblüffte. Da erlebte man ihn in Reinkultur, den etwas schwerblütigen, elegischen, schwärmerisch-russischen und auch so vehement virtuosen Sergej Rachmaninow! Und zwar, weil sie eben nicht in die Gefahr geraten, in die Rachmaninow manche Pianisten schnell einmal kommen: nämlich die Grenzen des guten Geschmacks zu sprengen.

Am ungewöhnlichsten für uns sicherlich, wie diese zierliche, aber ganz und gar ungeziert, still und unbefangen an den Flügel tretende Frau ihren Bach, nämlich die berühmte Chaconne in d-Moll, in einer sonoren Klavierbearbeitung präsentierte.

Sie spielt Bach bei aller hohen Disziplin so emotionsstark, farbgesättigt, zupackend bravourös, wie ihn alle großen russischen Klavierviruosen spielen, beispielsweise Tatjana Nikolajewa. Es sind bei ihr, und das macht ihr besonderes musikalisches Empfindungs- und GEstlatungsvermögen aus, aber auch immer sehr feine seelische Schattierungen, geradezu kleine Seelendramen, menschlich offenbar sehr ernste begebenheiten aus den Interpretationen herauszuhören. Aus ihnen sprechen poetische Tiefe, Geist, Phantasie, Menschlichkeit. Und das hinterläßt bei den Hörern Spuren.

Eckart Schwinger



Schumannhaus Zwickau, 27. März 1993

Ludwig van Beethoven

Sonate d-Moll op.31 Nr.2 (Sturm-Sonate)

Robert Schumann

aus Fantasiestücke op.12

Der Abend

Aufschwung

Frederic Chopin

Ballade f-Moll op.52

Nocturnes Es-Dur op.9 Nr.2, b-Moll op.9 Nr.1

Fantasie-Impromptu cis-Moll op.66

Prelude Des-Dur op.28 Nr.15 (Regentropfen-Prelude)

Etüden f-Moll op.10 Nr.9, As-Dur op.25 Nr.1, c-Moll op.10 Nr.12 (Revolutions-Etüde)



Salzigtter Zeitung, 29. November 1993

Russische Pianistin bot einen pianistischen Meisterabend in der Aula der Emil-Langen-Realschule

Beethoven und Chopin in mustergültigen Interpretationen

Einen guten Griff hatte der Kulturkreis mit der Verpflichtung der hierzulande noch unbekannten russischen Pianistin Natalja Gussewa getan. Die Meisterschülerin von Emil Gilels am Moskauer Tschaikowsaki-Konservatorium stellte sich im Musiksaal der Emil-Langen-Realschule Lebenstedt mit einem virtuosen Programm vor, das in dem Chopin gewidmenten Teil die beliebtesten und bekanntesten Klavierwerke dieses Komposinten brachte.

Die seit einem jahr in Deutschland lebende Pianistin ist promovierte Kunstwissenschaftlerin, errang nach Abschluß ihrer Studien einen zweiten Preis beim Marguerite Long-Wettbewerb in Paris und jeweils erste Preise beim Chopin-Wettbewerb in Warschau und einem Klavierwettbewerb in Lissabon. Besonders der Preis in Warschau wurde verständlich, nachdem man Natalja Gussewa in Lebenstedt gehört hatte. Drei der bekannten Etüden aus op.10 und op.25 und das berühmte fantasie-Impromptu op.66 wurden technisch brillant, unsentimental, aber mit viel Ausdruck gespielt.

Dazwischen waren die besinnlicheren Stücke, wie das nicht minder bekannte Des-Dur-prelude (unter der Bezeichnung Regentropfen-Prelude bekannt geworden), sowie die Noctunes Es-Dur op.9, Nr.2 und b-Moll, op.9. Nr.1, in überzeugender Weise zu hören.

Eine mustergültige Interpretation gelang der Pianistin mit der Sonate d-Moll, op.31, Nr.2 von Ludwig van Beethoven (oft fälschlicherweise als Sturmsonate bezeichnet). Natalja Gussewa entfachte beinesfalls einen Sturm, obwohl die lebhaft bewegten Teile der Sonate in falsch verstandener Deutung dazu Anlaß geben könnten. Die Solistin brachte eine klassisch ausgewogene, plastische Wiedergabe dieses geheimnisvollen Werkes, zuchtvoll in den Tempi, im letzten spielfreudig-bewegt, aber immer klar und transparent.

Kein pathos kam in ihrem Spiel auf, vielmehr entsprach sie mit weit ausgespielten Figuren dem Shakespearschen Intentionen in seinem Drama "Der Sturm" an das beethoven bei der Komposition der Sonate wohl gedacht hat. Es war eine pianistische Meiterleistung.

Die eingangs gespielten Miniaturen Tschaikowskis aus seinem Zyklus Jahreszeiten op.37a und die drei Präludien Sergej Rachmaninows ließen russische Mentalität deutlich werden, aber auch hier, besonders bei Rachmaninow, ichts gefühlvoll überladenes, sondern bei allen Akkord- und Klangballungen klangliche Zurückhaltung und Klarheit.

Dies war aber alles nur möglich, weil Natalja Gussewa über eine hohe Anschlagskultur verfügt und ihr Instrument absolut beherrscht. Es war ein mit viel Beifall bedachter Klavierabend auf sehr hohem künstlerischem Niveau.

Klaus Karich



Sächsische Zeitung, 28. April 1994

Instrumentaler Spitzentanz der Finger

Freudiger Beifall für die dritte "Stunde der Musik" mit Moskauer Pianistin

Zur dritten "Stunde der Musik" in der Aula des Schiller-Gymnasiums Bautzen kam am vergangenen Montag die sensible Moskauer Pianistin Natalja Gussewa, die seit 1992 freischaffend in Berlin lebt.

Vom Publikum wurde sie herzlich begrüßt, jedoch machten ihr körperliche sowie nervliche Schwächen sowie negative äußere Reize den Start mit Bachs "Präludium und Fuge g-Moll" nicht leicht. Schade, denn darunter litten nicht nur der tiefe menschliche Gehalt und Reichtum musikalischer Gedanken des Werkes, sondern auch die mimosenhaft und bescheiden wirkende Künstlerin.

Robert Schumanns Phantasiestücke "Des Abends" und "Aufschwung" gaben der inernational erfolgreichen Schülerin Emil Gilels und obendrein promovierten Kunstwissenschaftlerin Ruhe und Stimmung geistigen Aufschwungs zurück und ließen die Hörer persönlich gefärbtes Klangempfinden und eine ausgezeichnete Technik erleben. Intelligent, mit hoher Präzision und exponierter Spielhaltung interpretierte sie anschließend Alexander Skrjabins "Sonate und Fantasie gis-Moll op.19", eine Klangwelt des unittelbaren, freien und inneren Ausdrucks, die unter den viruosen Händen der Pianistin zu einem Höhepunkt wuchs und ihr wohl sehr aus dem Herzen kam.

Dieser russische Komponist, der ursprünglich von Chopin inspiriert war, versuchte um die Jahrhundertwende Unterschiede zwischen Konsonanz und Dissonanz aufzuheben und kam so zu dem Empfindungs- und Gestaltungsvermögen N. Gussewas in seinem farbig-emotionsgeladenen Werk sehr entgegen.

Zum Schluß erklang, wie könnte es anders sein, blitzsauber, vollkonzentriert, geistvoll interpretiert, Frederyk Chopins reiche poetische Tonsprache. Beeinflußt von zeitgenössischer virtuoser Praxis, sind seine folkloristischen Anregungen hochstilisiert, fordern den Kenner und Könner. Sie hatten ihn in Natalja Gussewa, die seine Klavierstücke (zum Beispiel Ballade, Nocturnes, Polonaise, Valse und die beiden allgemein bekannten Zugaben) sehr bravourös vortrug.

Es war ein Genuß, den glanzvollen instrumentalen Spitzentanz ihrer Finger zu erleben! Lyrisches Klangempfinden, feurig-temperamentreiches Viruosentum sprachen ebenso aus ihrem Spiel wie poetische Tiefe und Menschlichkeit. Und das klang nach in dem sinnend lauschenden, freudig Beifall spendenden Hörern, die die dritte "Stunde der Musik" besucht hatten.

Crista Vogel



Festival der Europäischen Musik Berlin, 9. Juli 1997

 

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